Schwetzinger Zeitung, 9.7.2022 - Von Marco Montalbano
Die Dokumentation „Die Welt sind wir“ von Andreas und Melike Frickinger will Inspiration sein - im Zeichen eines durch die gesellschaftliche und ökologische Krise nötigen Umdenkens.
Die Filmemacher Andreas und Melike Frickinger hatten keine lange Anreise zum Gemeindezentrum – die Brühler leben quasi um die Ecke. © Marco Montalbano
Brühl. „In was für einer Welt wollen wir leben?“, so könnte man die Grundidee des Brühler Filmemacher-Ehepaars Andreas und Melike Frickinger umschreiben. In ihrem über eineinhalbstündigen Dokumentarfilm „Die Welt sind wir“ werden Menschen porträtiert, die zu einem veränderten Denken und Handeln gefunden haben – im Zeichen eines durch die gesellschaftliche und ökologische Krise nötigen Umdenkens.
Dieses Umdenken sei geprägt von Menschlichkeit, Achtsamkeit, Entschleunigung und ökologischem Bewusstsein. Nachgegangen wurde dabei auch der Frage, wie inneres Wachstum und die eigene Weiterentwicklung mit dem kulturellen und gesellschaftlichen Wandel zusammen hängt. Eingeladen zu dem Filmabend hatte der Umweltverein, der Grüne Gockel – eine Gruppe, die sich in der evangelischen Kirche für Umwelt und Nachhaltigkeit einsetzt – und die evangelische Kirchengemeinde.
„Um den heutigen, noch nie dagewesenen Herausforderungen zu begegnen, sind wir aufgefordert in ein bewussteres und ganzheitlicheres Leben hineinzuwachsen.“ Dieses Zitat des amerikanischen Autors Terry Patten, das im Vorspann des Films zu sehen ist, wies die Richtung.
Gezeigt wurden Menschen „wie du und ich“, die ihren ganz eigenen Weg in eine bewusstere Lebensweise gefunden haben. Unaufgeregt, mit neugierigem und offenen Blick und untermalt mit gefühlvoller Musik begleiteten Andreas und Melike Frickinger so unter anderem ein Ehepaar aus Plankstadt, das in einem alten Bus die Welt bereist und dabei zu sich selbst findet, Biobauer Hans und seine Ehefrau Christiane. Dieses Paar meinte: „Viele Probleme auf der Welt könnten gelöst werden, wenn in der Landwirtschaft ökologisch umgedacht würde. Biobauer zu sein heißt, Zusammenhänge zu erkennen, zu deuten und damit zu arbeiten.“
Teil einer Gemeinschaft
Es gehe um die Gesamtheit der Dinge, dass der Mensch kein isoliertes Wesen sei, sondern Teil einer Gemeinschaft – auch mit der Natur. Die Beiträge sind unter Schlagworten wie „Wertschätzung, Achtsamkeit, Kulturwandel, Mediation“ zusammengefasst. Die Filmemacher besuchten einen Lebensgut-Biohof, auf dem Menschen in der Gemeinschaft leben und für Kost und Logis arbeiten, meditieren und zu sich finden können. Nachhaltig und biologisch wird gemeinsam gepflanzt, geerntet, Kräutersalz- und Biokosmetik hergestellt. Die Menschen wirken glücklich, gelassen. Markus, ein junger Kfz-Elektroniker meint im Film: „Wir müssen nicht mehr machen, sondern weniger, entschleunigen.“ Eine junge Frau berichtete: „Ich war in meinem Job nicht glücklich, obwohl ich viel verdient habe. Aber wozu? Ständig in einem Büro sitzen um sich sechs Wochen Urlaub leisten zu können? Irgendwann saß ich am Schreibtisch und habe einfach nur noch geweint.“
Das Publikum zeigt sich am Ende des Films sehr angetan vom Thema und fragt in einigen Punkten interessiert nach. © Marco Montalbano
Ein Meditationslehrer, der zur Kunst gefunden hat, gab zu bedenken: „Wir suchen immer die große Liebe. Außen. Aber nicht innen. Fängt man aber an, den Blick nach innen zu richten, fängt sich an, etwas zu verändern.“ Jonas, ein junger Mann, lebt nachhaltig und engagiert sich bei einer Umweltaktivistengruppe.
Seine Sichtweise: „Ich habe mich schon damit abgefunden, dass es, hinsichtlich des Klimawandels, vermutlich schon zu spät ist, das Ruder herumzureißen. Dennoch bin ich engagiert und positiv. Denn wenn jeder nur ein bisschen was macht, kann das viel ausmachen. Es gibt den Spruch: ‚Ich allein kann ja nichts bewirken, sagen sieben Milliarden Menschen‘ – darüber lohnt es sich, nachzudenken.“
Wieder mehr Utopien zulassen
In der folgenden Diskussion beantworteten Andreas und Melike Frickinger Fragen aus dem Publikum. Die Filmemacher, die ihr Werk nur aus Eigenmitteln und Spenden finanziert haben, meinten: „Das Wort Utopie ist heute eher ein Schimpfwort. Wir müssen wieder mehr ins ‚Utopieren‘ kommen. Es geht unter anderem darum, zu sehen, dass es einen goldenen Mittelweg geben kann.“ Pfarrerin Melanie Bönig bedankte sich, genau wie Klaus Triebskorn, bei dem Brühler Paar.
Viele Zuschauer gaben begeisterte Kommentare ab, so auch Maren Prignitz: „Durch den Film habe ich Leichtigkeit erfahren und, dass ich mit meinem Verhalten etwas bewirken kann.“ Hermann Grünings Kommentar fiel etwas durchwachsener aus: „Es ist vieles richtig, was im Film gesagt wurde. Aber ich glaube nicht, dass wir alle so leben können. Wer derzeit in oder an der Grenze zur Ukraine lebt, hat andere Sorgen.“